PISA-Grundproblem: Die Fixierung auf Leistung verhindert Leistung
In Reaktion auf die PISA 2023 fordert Karin Prien (CDU) von Bund, Ländern und Kommunen mehr Investitionen in Bildung. Deutschland brauche ein Schulsystem, das auf Erfolg schaue, nicht auf die Abarbeitung eines Lehrplans sagte sie im Deutschlandfunk. Obwohl ich verstehe, was Frau Prien meint und auch nicht einverstanden bin mit der „Abarbeitung von Lehrplänen“ triggert mich die Idee, sich nur auf den Erfolg zu konzentrieren. Wie gern wären wir die Besten, so herausragend wie der Baum, der auf einer der Strecken liegt, die ich gerne im Wald entlanglaufe. Deutschland: PISA Sieger, zum 10. Mal in Folge. Mit welch stolzgeschwellter Brust würden alle, die sich mit Deutschland identifizieren dann herumlaufen (selbst wenn sie selbst gar keinen Beitrag dazu geleistet hätten). Das ist auch völlig verständlich und menschlich. Das ist, was Vergleiche mit uns machen. Aber mit der Fixierung auf PISA-Leistungen gibt es zwei grundlegene Schwierigkeiten:
Die erste Schwierigkeit ist wie schon oft gehört, die Frage, ob wir mit Pisa messen, was wir auch wirklich erreichen wollen. Biesta problematisiert zum Beispiel, dass Bildungsziele oft nicht diskutiert werden, sondern man sich einfach auf das stützt, was ohnehin schon da ist (2009). Er argumentiert: „Die Gefahr besteht darin, dass wir am Ende das schätzen, was gemessen wird, anstatt das zu messen, was wir schätzen. Letzteres sollte jedoch am Ende unsere Entscheidungen über die Ausrichtung der Bildung bestimmen […].“ (Biesta 2009, S. 43, eigene Übersetzung mit Hilfe von DeepL).
Das zweite Problem ist, dass diejenigen, die so extrem gerne Leistungen erzielen möchten und ihr ganzes „Mindset“/Denkweise darauf ausrichten, oft eben NICHT diejenigen sind, die hochleisten. Carol Dweck hat dazu geforscht und fasst Forschungsergebnisse zusammen zur Frage, ob es besser ist, Menschen zu spiegeln was sie nicht können oder vielmehr, ihnen zu spiegeln, was erreichbar wäre und wie. Ihr TED-Vortrag dazu ist hier zu finden (über das … kann man einen deutschen Untertitel einspielen):
Es ist etwas weit geschlussfolgert, aber kann es sein, dass wir uns erst einmal von der Fixierung auf positive Leistungen auf die PISA-Ergebnisse lösen müssen, damit wir darin wirklich gut abschneiden? Nicht voller Angst auf die neuesten Vergleiche sehen, sondern es als Herausforderung betrachten, das Schulsystem systematisch zu verbessern: Auf dem aufbauend, was wir wirklich schätzen?
Das wäre wie eine Art paradoxe Intervention, aber eine, die es wert wäre, darüber nachzudenken.
Biesta, Gert (2009): Good education in an age of measurement: on the need to reconnect with the question of purpose in education. In: Educ Asse Eval Acc 21 (1), S. 33–46. DOI: 10.1007/s11092-008-9064-9 .